Lieber Michael,
wie schon gesagt, ich freue mich über Dein Interesse an diesem wichtigen Thema und würdige Deinen Wissensstand, den Du Dir darüber angeeignet hast. Und im Grundsatz bin ich mit Dir einer Meinung: Die Quenstedtsche Gliederung ist nur eine Krücke.
Selbstverständlich gestehe ich jedem Sammler zu (die Wissenschaftler tun es eh schon seit einigen Jahren) mit der internationalen Gliederung und/oder Formations-Begriffen zu arbeiten.
Für mich ist es verwirrend, weil es die Kommunikation mit anderen Sammlern erschwert. Wenn ich sage, ich habe einen Ammoniten aus dem unteren Malm Gamma 1, dann kann ich auf der Fränkischen Alb drei Aspekte miteinander verknüpfen.
1. Ich habe mit Suterneria platynota ausnahmsweise einen typischen, charakteristischen und häufigen Leitammoniten
2. Ich habe eine Vorstellung der Faunengemeinschaft, also welche anderen Ammoniten ich zu erwarten habe
3. Ich habe eine Vorstellung von der Fazies: Mergel und mergelhaltige Kalksteine
Im unteren Malm Gamma 2 sieht es schon ganz anders aus.
1. Der namengebende Leitammonit hat erst im höheren Gamma 2 sein erstmaliges Auftreten und ist von älteren Formen (bsp. Ataxioceras discoidale) kaum zu unterscheiden. Zudem weist er eine Variationsbreite auf, bei der meiner Meinung nach kein Sammler in der Lage ist zu erkennen, dass es sich hier um die Variationsbreite einer Morphospezies handeln soll.
2. Trotzem bleibt meine Vorstellung von der Faunengemeinschaft
3. Auch die Vorstellung von der Fazies bleibt.
Ohne Quenstedts Gamm2-Krücke wäre ich orientierungslos
Dein Vorschlag mit der Untergliederung nach Zonen und Subzonen ist grundsätzlich der richtige Ausgangspunkt und namhafte Wissenschaftler arbeiten ja auch seit Jahren daran. Eine exakte Aufteilung nach Faunenhorizongen mit bestimmten Leitformen ist meiner Meinung nach machbar. Dies erfordert allerdings von den Sammlern sehr viel Disziplin.
1. Sie müssen die Leitammoniten der unterschiedlichen Horizonte und deren Variationsbreite genauestens kennen.
2. Sie müssen in der Lage sein, diese mit anderen Horizonten im europäischen Raum zu korrelieren, wo andere Leitformen vorkommen.
Und, die müssen bereit sein, sich ständig neue Leitformen zu merken, da derzeit alles im Fluss ist.
Was mir sehr wichtig wäre lieber Michael, dass wir beide in versöhnter Verschiedenheit und gegenseitigem Respekt leben können. Du bist für mich ein wichtiger Ansprechpartner im Bereich des schwäbischen Oberkimmeridgiums, den ich ungerne auf Grund von eigentlich banalen Nebengefechtsschauplätzen verlieren möchte. Warum ich derzeit bei der reformierten Quenstedtschen Gliederung bleibe, habe ich mit meinen Argumenten meiner Meinung nach hinreichend unterfüttert. Ich brauche sie, um in den nächsten Jahren etwa im Gamma 1 bestehende Faunenhorizonte auf deren Sinnhaftigkeit hin überprüfen zu können.
Beispiel mit Quenstedtscher Gliederung, Ausgangslage mit der entsprechenden Perisphinctidenfauna:
Malm Gamma 1 oben (= Guilherandense-Subzone): Faunenhorizont mit Schneidia guilherandense, Schneidia collignoni, Schneidia elmii, Ardescia schaireri, Ardescia desmoides debelmasi, Ataxioceras striatellum, Ataxioceras eudiscinum, Ataxioceras complanatum, Ataxioceras litorale, Ataxioceras catenatum, Parataxioceras geniculatum, Parataxioceras paraboliferum u.a.
Malm Gamma 1 Mitte: (= Desmoides-Subzone): Faunenhorizint mit Ardescia desmoides, Ardescia enayi, Ardescia proincondita, Ardescia virgatoides, Lithacosophinctes stromeri, Lithacosphinctes pseudoachilles u.a.
Malm Gamma 1 unten: (= Polygyratus-Subzone): Faunenhorizont mit Orthosphinctes polygyratus, Orthosphinctes uresheimensis, Orthosphinctes wemodingensis, Orthosphinctes pseudoployplocoides,?Orthosphinctes freybergi, Lithacosphinctes evolutus, Lithacosphinctes subachilles, ? Lithacosphinctes castroi, ? Lithacosphinctes gidoni. u.a.
Ich habe vor mit dem Artenchaos aufzuräumen. Das Problem: Auch die Subzonenleitammoniten Schneidia guilherandense und Orthosphinctes polygyratus müssen eventuell dran glauben.
Hier ist es noch einfach, da ich mit den Begriffen untere, mittlere und obere Platynota-Zone arbeiten kann und der Leitammonit Sutneria platynota tatsächlich in allen drei Bereichen vorkommen. Was mache ich aber im Malm Gamma 2 mit seinem Ataxioceras hypselocyclum, der nur in der Mitte des Schichtstoßes anzutreffen ist und von dem keiner weiß, wie er eigentlich aussieht, geschweige denn, welche Variationsbreite er hat? Nur einmal angenommen, man müsste ihn einziehen oder neu definieren...
Genug des Werbens. Ich denke, es ist irgendwie ähnlich, wie bei der Milch. Dem einen schmeckt sie, der andere hat eine Laktoseunverträglichkeit und bekommt Durchfall davon. Ich habe eine Kimmderidgium-Unverträglichkeit, beim Michael räumt der Quenstedt durch.
Auf eine fruchtbare Zusammenarbeit
Beste Grüße
Victor