Augenschmaus für Masochisten - Wenn Pyritfossilien zerfallen

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Sönke
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Augenschmaus für Masochisten - Wenn Pyritfossilien zerfallen

Beitrag von Sönke » Samstag 31. Januar 2009, 17:06

Betrifft den Homepagebericht:
Augenschmaus für Masochisten - Wenn Pyritfossilien zerfallen

Hi Victor,

danke für Deinen Bericht, der bestens die verschiedentlichen Gefühlslagen im Angesichte ausblühender Fossilien beschreibt. Ganz so verzweifelt, dass ich dazu übergehe mich auf Malmfossilien zu konzentrieren bin ich zwar noch nicht :wink: , trotzdem habe ich noch zweierlei Nachfragen bezüglich der Vorgehensweise von "collector schlamppus":
- Hast Du eine Möglichkeit gefunden die Stücke trotz Acetonbad optisch trotzdem so zu präsentieren, dass man sie sich noch einigermaßen anschauen kann?
und
- Was machst Du mit Fossilien die auf Tonsteinmatrix sitzen?

Viele Grüße
Sönke

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Victor Schlampp
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Beitrag von Victor Schlampp » Samstag 31. Januar 2009, 17:18

Hallo Sönke,

danke für Deine Anfrage.

Es ist ganz merkwürdig: Sämtliche Ammoniten (Mistelgau, Aichelberg), die ich aus dem unverwittertem Anstehenden geborgen und daheim sofort präpariert und konserviert habe, zeigen auch nach 20 Jahren keinerlei Zerfallserscheinungen. Leider hatte ich früher den Fehler gemacht, lose Stücke erst einmal im warmen Wasser abzubürsten oder sie mit Wasserstoffperoxid vorzubehandeln und hier ist die Zerfallsrate relativ hoch.

Meine Erfahrung: Niemals pyritisierte Fossilien mit Wasser oder wasserhaltigen Chemikalien in Verbindung bringen.

Die in Aceton "eingeweckten" Stücke haben leider keinen Präsentationswert. Sie sind nur erst einmal geschützt.
Übrigens: Bei den fotografierten Ausblühern handelt es sich um minderwertige Teststücke. Die Schnecken hatte ich leider jahrlang im Rohmaterial vergessen. Sie sind jetzt erst wieder aufgetaucht. Leider zu spät.
Selbstverständlich versuche ich auch, meine pyritisierten Fossilien zu retten. Da hängt ja viel Arbeit und Herzblut dran.

Beste Grüße

Victor

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Eberhard
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Beitrag von Eberhard » Samstag 31. Januar 2009, 17:38

Oh oh, Victor,

pass nur auf dich auf.
Wieder einmal wird demonstriert was es mit den Zerfallszeiten auf sich
hat. Gleich fühle ich ein Ziehen im linken Knie und sehe so violette
Verfärbungen an Stellen, wo es eher unüblich ist.

dabei ist das ganz normal (ab einem gewissen Zeitpunkt). Schade nur
um deine geschätzten Pyritisierten - sterben sie doch inzwischen ihren
wohl endgültigen Tod. Und vonwegen Metamorphose,-da spielt sich
auch nichts mehr ab.
Staub!
Doch halt, da fällt mir noch etwas ein: Fossilis erectus! Mit den passenden
Formen- backe backe Kuchen..., lassen sich aus diesen traurigen Überresten
schöne Ammoniten oder auch Pleurotomarien pressen. Den Effekt dann
noch steigern mit "Echt" Gold und ab zum elektronischen Bauchladen.

Original Liasfossilien, 185 Mill. Jahre alt.
Alles schon dagewesen.

Beileid und Gruß
Dein Eberhard

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Armin
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Beitrag von Armin » Samstag 31. Januar 2009, 18:22

Hallo Victor,

danke für Deinen Erfahrungsbericht. Das zeigt mir doch, dass die aufwändige Prozedur mit Pyritkonservierer richtig war. Bis jetzt ist mir noch kein einziger Ammo aus Mistelgau, den ich damit behandelt habe, zerfallen. Wohlgemerkt "Bis jetzt"



Gruß Armin

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juniper
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Narrengold

Beitrag von juniper » Samstag 31. Januar 2009, 20:23

Der Collector ignorantis sollte sich der Tatsache gewahr sein, daß beim Ausblühen der Markasitschätzchen Schwefelsäuregas(1) freigesetzt wird, welches nicht nur giftig ist, sondern sich beherzt über alle möglichen weiteren Sammlungsobjekte hermacht – also vorzugsweise andere noch stabile Goldschnecken infiziert, sowie Etiketten, Pappschachteln und Holzschuber mürbe macht.

Museumssammlungen beherbergen empfindliche Stücke in einem kleinen Aquarium mit Petroleum- oder Silikon-Öl gefülllt (nicht Aceton), auf diese Weise heben zum Beispiel die Senckenberger die unkonservierbaren Messel-Insekten auf.
Vorteil: Durch den Sauerstoffabschluß sind die Fossilien vor Zerstörung geschützt, Nachteil: Die Stücke sind naß.

Joop C. vanVeen, Assistent-Conservator am Paleontologisch-Mineralogisch Kabinet, Teylers Museum (Haarlem, Niederlande) berichtete 1996 über seine Erfahrungen mit Pyritfossilien („Behandelingsmethoden voor pyriet-verval.”). Unter den möglichen Verfahrensweisen, wie mit solchen Fossilien umgegangen werden kann, zitierte er auch das Museum am Löwentor, Stuttgart sinngemäß mit: „Abguß machen, Original wegschmeißen.” Daß das für ihn wenig zielführend war, da er sich um den Erhalt eines Plesiosauriers (2) im Teylers Museum bemühte, ist leicht einzusehen :bg:

vaVeen beschrieb übrigens die Anwendung vom Ethanolaminthioclycollat (Pyrikonservierer) als chemischen Umwandlungsprozeß, der Schwefelkies (Pyrit/Markasit) in stabiles Goethit* verwandelt (was im übrigen die Farbveränderung des Fossils von gelb nach mehr silbrig erklären würde, von der viele Anwender berichten, denn das entspricht m.W. dem Farbunterschied von Schwefelkies zu Goethit).

Seine interessanteste Überlegung: Die Pyritfossilien in Plastikbeutel mit Stickstoff einzupacken.
Stickstoffgas hat relativ große Moleküle, sodaß die Dichtigkeit/das Entweichen aus dem Kunststoffbeutel eher unkritisch ist.
Der größte Vorteil liegt darin, daß die Fossilien vor Sauerstoff geschützt sind und trocken bleiben. Sie können zur Untersuchung leicht aus dem Beutel entnommen und anschließend einfach wieder frisch unter Stickstoff eingetütet werden.

Weiß jemand, ob die Stickstoffbeutelmethode irgendwo angewendet/getestet wird?

lg.Klaus

Edit:
(1) aus der Erinnerung (Irrtum möglich) nach: Herbert Hardt, In Erz umgewandelte Tiere und Pflanzen ( 1958 )
Nachweislich ist Schwefelsäure eines der problematischsten Begleitprodukte beim Pyritverfall (siehe auch Petrefaktensammler, S.9+10, Eberhard Fraas rät: „Schwefelkiesfossilien, an welchen man Zersetzung (...) beobachtet, so rasch wie möglich aus der Sammlung zu entfernen, denn das betreffende Stück ist doch nicht mehr zu retten und durch die Entwicklung von freier Schwefelsäure werden dann auch die Nachbarstücke gefährdet." 1910/1972)

(2) mea culpa, es handelte sich um einen Plesio-, keinen Mosasaurier

(3) über eine mögliche Synonymie von Limonit / Goethit müßte man mal einen Mineraliensammler fragen. Ich meine mich erinneren zu können, daß Goethit ein natürliches Umwandlungsprodukt aus Pyrit sein kann (Hochleitners kleiner Mineralienatlas).
Zuletzt geändert von juniper am Samstag 31. Januar 2009, 21:48, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von Sönke » Samstag 31. Januar 2009, 20:27

Danke, Victor!

Ich habe leider einzelne Matrixstücke (mit mehreren aufsitzenden Ammoniten), die Probleme zu machen beginnen. Daher die Frage bezüglich Deines Umgangs mit solchen Stücken. Schätze Dich glücklich dass das Matrix-Material bei Dir haltbar zu sein scheint!

Meine Herford-Sammlung wird möglicherweise zum Teil auch nach und nach in Acetongläsern verschwinden. :x Was bin ich froh, dass ich nicht zu denjenigen gehöre, die nur in der ergiebigen jamesoni-Subzone, sondern auch in der wenig (aber dafür stabiles) Fundmaterial abwerfenden valdani-Subzone gesucht haben. Nach anderthalb Jahren Sammeltätigkeit vor einem einzigen Krümmelhaufen bzw. vor einem einzigen Aceton-Glas zu stehen, wäre schon sehr schade. :lol:
Zudem besitze ich auch einige limonitisierte Ammoniten aus der jamesoni-Subzone, so dass es nicht zum Totalausfall kommen kann. :wink:

Trotzdem, die "beinahe kindliche Freude" über die goldglänzenden und kaum Präparationsarbeit mit sich bringenden Funde wird leider erheblich durch das Phänomen des "Ausblühens" gemindert.

Viele Grüße
Sönke
Zuletzt geändert von Sönke am Samstag 31. Januar 2009, 20:34, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von Miroe » Samstag 31. Januar 2009, 20:31

Danke Victor,

für Deinen herrlich sarkastischen Bericht! Schön ist er zu lesen, gruslig sind die Bilder.

Verkieste Fossilien sind unberechenbar, vermutlich Zeitbomben. Was kann man den Sammlern empfehlen, wenn gerade die vermeintlich völlig falsch behandelten Fossis total stabil bleiben? Ich habe meine ersten Ammoniten aus Mistelgau (es waren nicht nur Dutzende) mit 3proz. Salzsäure behandelt, gut gewässert und bei über 30 °C im Schatten in der prallen Sonne ausgedörrt. Denen fehlt bis heute nichts, obwohl sie gegen alle Regeln der Kunst mißhandelt wurden. Vielleicht wurden ihnen aber auch nur alle katalytisch aktiven dreiwertigen Eisensalze entzogen und die bösen Bakterien vernichtet.

Gleichwohl empfehle ich, an allen persönlich wichtigen, verkiesten Fossilien den Test auf Zersetzungsprodukte zu machen und diese, sofern vorhanden, gegebenenfalls zu entfernen. Allerdings bringt man auch bei dem Test mit rotem Blutlaugensalz wässriges Medium und dreiwertige Eisenionen ein.

Zum Test und zu den Möglichkeiten der zumindest zeitweise wirksamen Konservierung verkiester Fossilien wurde ja im Forum schon hinreichend berichtet.

Nochmals danke!
Michael

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Beitrag von Miroe » Samstag 31. Januar 2009, 20:47

Servus Klaus,

also, ein "Schwefelsäuregas" gibt es nicht. Zu der Ausbreitung der "Pest" gibt es unterschiedliche Überlegungen. Schwefeldioxid, in Verbindung mit Luftfeuchtigkeit schweflige Säure, kann eine Rolle spielen, Bakterien könnten auch beteiligt, oder sogar dominierend sein.

Es würde mich interessieren, wie van Veen aus Eisenkies (Pyrit, Markasit) Goethit machen will. Für mich ist dies auf den ersten Blick undenkbar, reine Alchemie.

Beste Grüße
Michael

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Beitrag von juniper » Samstag 31. Januar 2009, 21:56

Hi Michael

Ein paar Details habe ich noch nachgetragen (siehe gekennzeichnete Editierung).

Ich bin kein Chemiker, und das meiste über Pyritkonservierung habe ich vor vier Jahren gelesen. Da ich aus dem Gedächtnis zitieren mußte (außer Petrefaktensammler, den habe ich hier im Büro liegen) kann da auch mal eine Ungenauigkeit drinne sein :oops:
Ich danke für jede konstruktive Richtigstellung :)

Ich habe dir den Originalartikel von vanVeen per Mail geschickt (war eine Zeitlang online verfügbar). Man kann ihn auch ohne Kenntnis der niederländischen Sprache recht gut verstehen (mehrfach lesen, was sich lohnt).

lg.Klaus

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Beitrag von Miroe » Samstag 31. Januar 2009, 22:37

Danke Klaus,

für die Übermittlung des Papers. Soweit ich es, unmächtig der niederländischen Sprache, abschätzen kann, ist es eine Zusammenfassung der bekannten Ergebnisse und Positionen zur Problematik des Eisenkieszerfalls und seiner möglichen Verhinderung.

Hier bräuchten wir eine neue, zündende Idee.

Beste Grüße
Michael

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Beitrag von juniper » Samstag 31. Januar 2009, 23:13

Hab nochmal schnell recherchiert:

Zitat:
„Goethit ist ein weit verbreitetes Oxidations-Verwitterungsprodukt zahlreicher Eisenmineralien, besonders von Pyrit und Magnetit.”

„Limonit ist kein eigenständiges Mineral, sondern ein generischer Begriff für Gemenge verschiedener Eisenhydroxide und Eisenoxide, darunter hauptsächlich Goethit. (...)
Limonit ist ein sehr gewöhnliches Material in den Verwitterungszonen von Eisenlagerstätten. Es entsteht durch Zersetzung vieler Eisenmineralien, besonders von Pyrit (...)”
aus:
http://www.mineralienatlas.de/lexikon/i ... it/Goethit

vanVeen (Seite D-6) bezieht sich u.a. darauf, daß in den Umwandlungsprodukten kein Schwefel mehr enthalten ist. In Limonit umgewandelte Ammoniten sehen zwar „nicht so lieblich aus wie Pyritammoniten”, aber sie sind stabil.

Bleibt die Frage, ob Ethanolaminthioglycollat einen Effekt bewirkt, der vergleichbar ist mit der Umwandlung von Pyrit in Goethit / Limonit, wie es Mutter Natur vormacht ?

Alles nicht so einfach mit dem Narrengold :roll:

Im übrigen sei an den exzellenten Bericht von nautilus (Uwe Buschschlüter) auf der hp erinnert:
http://www.steinkern.de/praeparation-un ... leich.html

(Leider verweist er nur auf den Originalartikel von Cornish + Doyle, 1984 über die Wirkungsweise des Koservierers, ohne den chemischen Vorgang zu skizzieren.)

lg.Klaus

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BlackDiamond
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Beitrag von BlackDiamond » Sonntag 1. Februar 2009, 00:20

Hallo,

Victor das ist einer der besten Artikel :clap:

Abgesehen, von den professionellen Tips noch ein paar Gedanken für die, die den Aufwand dafür nicht leisten wollen/können:

- Der Schwefel scheint in der Tat zu verdampfen und sich auszubreiten. ( Mein Vater hat bei seinen Mineralien den Schwefel sehr sicher als Schuldigen für Rostverursacher an den Trägern der Glasscheiben dingfest gemacht.

- Das Erhitzen scheint ja auf jeden Fall zumindest eine verzögernde Wirkung zu haben ( Bakterin anbtöten, Feuchtigkeit reduzieren). Im übrigen kann man damit wohl auch Schwefelverbindungen vertreiben. Schwefelsäure hat allerdings einen Siedepunkt von 279,6 °C , aber das sollte ja auch vorher schon anfangen sich zu verflüchtigen(allerdings schlecht für den Ofen).

- Hat schon mal jemand seine Ammos in ein Bett aus Silicagel gelegt? Gerade bei Fossilien, die nicht in der Ausstellung sind sollte das praktikabler sein, als die Gasatmosphäre (lässt sich ja auch wieder auffrischen).

Chao, Stefan

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