Fossil oder mineralisch? Lösung: Sinter

Geologische Phänomene mit Ähnlichkeit zu realen Fossilien.

Moderator: Steinkautz

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Thomas_
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Fossil oder mineralisch? Lösung: Sinter

Beitrag von Thomas_ » Dienstag 24. Mai 2016, 19:38

Hallo,

diesen Brocken habe ich in oberflächennahen leicht lehmigen sedimenten des unteren Muschelkalkes im Kreis Höxter gefunden. Unter dem Bino sind unglaublich feine nadelartige Strukturen auf diesen netzartigen Strukturen zu sehen. Da vermute ich eigentlich kristallbildungen. Aber das Stück sieht schon sehr nach einem Fossil aus, das irgend wie diagenetisch verändert wurde. Die Trias ist ja immer gut für schöne Pseudofossilien. Ich hoffe einer von euch hat einen Reim drauf. Die Bilder können durch anclicken vergrößert werden.
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IMG_7380b.jpg (436.9 KiB) 31081 mal betrachtet
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IMG_7381b.jpg (1.29 MiB) 31081 mal betrachtet



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hubertus68
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Re: Was ist das? Fossil, mineralisch oder beides?

Beitrag von hubertus68 » Mittwoch 25. Mai 2016, 14:10

Hallo Thomas,

ich würde auf einen Schwamm tippen. Weiter kann ich mangels Kenntnis
der Fundschicht nicht sagen.

Gruß,
Oliver

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Thomas_
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Re: Was ist das? Fossil, mineralisch oder beides?

Beitrag von Thomas_ » Mittwoch 25. Mai 2016, 22:20

Hallo Oliver,

Fundschicht ist nicht einfach, aber es scheint sich doch um unteren Muschelkalk zu handeln. Es gibt aber weder Ceratiten noch Seelilien, ein paar ganz seltene Muscheln, aber sehr viele Gänge. Vermutlich werde ich das Stück doch vorsichtig mit Wasser abspülen, auch wenn die feinen Mineralien dann verloren gehen, eventuell kann man dann mehr erkennen. Für Schwamm spricht schon einiges, wäre mein erster aus dem Muschelkalk. Ich kann mich auch nicht erinnern von solchen Funden aus dem Becken schon mal was gehört zu haben.

Thomas
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Mathias S.
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Re: Was ist das? Fossil, mineralisch oder beides?

Beitrag von Mathias S. » Donnerstag 26. Mai 2016, 08:22

Hallo Thomas,

zwischen Keuper und mu liegt eine erhebliche Bandbreite. Versuch das bitte mal zu gewichten. Was ist eher wahrscheinlich. Sind ja völlig unterschiedliche Faziesräume, da könnten wir ewig ohne Ergebnis simmulieren.

Weiterhin wäre eine Rundumsicht per Foto hilfreich, um das Material ansprechen zu können, nicht nur die dich interessierende Struktur.

Wie steht es um die Härte? Kann man die Struktur mit dem Fingernagel eindrücken oder ist die hart und stabil?

Schlechte Muscheln und viel ichnolog. Inventar spricht für mu, ist aber doch sehr stark verallgemeinert. das gibt es auch im Keuper.

Schwämme aus dem mu habe ich so auch keine auf dem Schirm. Allerdings gibt es sekundäre Bildungen die solch poröse Strukturen infolge Verwitterungen aufbauen (am ehesten als eine Art Residual mit Sinter zu beschreiben). Diese wären weicher, also teils abspülbar bis leicht brüchig. Einige Kratzer von der "Bergung" auf deinen Fotos deuten geringere Härte an

Ansonsten erinnert es entfernt an die Füllungen von Pholeus-Grabgängen, noch entfernter an Hohlformen kleiner Coelestin-Kristalle. So richtig passen will es aber nicht.

Beste Grüße
Mathias

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Re: Was ist das? Fossil, mineralisch oder beides?

Beitrag von Triassammler » Donnerstag 26. Mai 2016, 09:33

Hallo Thomas,

ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich, wie von den Vorschreibern auch schon vermutet, um eine Sinterbildung handelt.
Gerade in mergel- (tonmineral-)führenden Gesteinsfolgen kann es vorkommen, dass Kalksinter einen hohen Anteil an Verunreinigungen enthält - das führt mit anderen Faktoren zusammen zu derartigen runzeligen Strukturen, und der Sinter ist dann sehr weich, kann unter Umständen schon mit den Fingern zerkrümelt werden. Identische Strukturen entstehen sogar aus reinem Tonmineralschlamm an Kluftwänden oder - höchst rezent - an den Flanken freistehender, lehmbespritzter Steinbrocken nach Regenfällen. Das ablaufende Wasser formt dabei in einem Selbstorganisationsprozess typischerweise ein Netzwerk aus Wülsten und Runzeln.
Bitte wasche das Stück mal, dann schauen wir, was übrig bleibt. Etwas wertvolles kaputtmachen kannst Du meiner Meinung nach dabei nicht.

Gruß,
Rainer
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Re: Was ist das? Fossil, mineralisch oder beides?

Beitrag von Thomas_ » Donnerstag 26. Mai 2016, 10:50

Jetzt bin ich sehr gespannt auf eure Meinung. Nach dem vorsichtigen Abwaschen habe ich folgende Bilder gemacht. Raster 1cm alle Bilder können durch anclicken vergrößert werden.

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IMG_7392b.jpg (724.91 KiB) 30899 mal betrachtet
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IMG_7402b.jpg (1.75 MiB) 30899 mal betrachtet
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IMG_7384b.jpg (557.12 KiB) 30899 mal betrachtet





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Re: Was ist das? Fossil, mineralisch oder beides?

Beitrag von Triassammler » Donnerstag 26. Mai 2016, 15:32

Hallo Thomas,

vielen Dank für die neuen Bilder!

Ja, eindeutig ein (schon ziemlich angelöster) Kalksinter.
Im Web habe ich ein paar Beispiele für entsprechende Formen gefunden:
http://2.bp.blogspot.com/_2XR7-CBcWFI/R ... sinter.jpg
http://www.geoversum.de/templates/images/sinter1024.jpg
Sozusagen die Luxusvariante eines solchen Runzelsinters:
http://blog.derbund.ch/zoom/wp-content/ ... 78x652.jpg

Die Nadeln auf dem letzten Bild sind Calcitnadeln, die durch eine Mischung aus Lösung und Abscheidung zustande gekommen sind. Die organisiert wirkende, gitterartige Struktur ergibt sich aus gesetzmäßiger Aufwachsung (Epitaxie): Calcit kristallisiert im trigonalen Kristallsystem, die Kristallachsen spannen daher im Raum Rhomboeder auf. Weitere anwachsende Kristalle orientieren sich mit ihren kristallografischen Achsen an denen der vorhandenen Kristalle. Im Fall von nadliger Kristallisation kann sich so ein rhomboedrisches Gitter ergeben (hier zur Verdeutlichung eine Polmik-Aufnahme eines Calcitkristalls, in der Spaltrisse bzw. Gitterfehler die Orientierung der Achsen nachzeichnen: http://www.spektrum.de/fm/912/thumbnail ... 574658.jpg).

Gruß,
Rainer
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Re: Was ist das? Fossil, mineralisch oder beides?

Beitrag von Thomas_ » Donnerstag 26. Mai 2016, 19:29

Hallo Rainer,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich finde diese Pseudofossilien aus dem Muschelkalk immer wieder faszinierend. Dieses Stück fand ich wegen der sehr feinen Strukturen, den Wachstumsringen und der bauchigen Form, die stark an Korallen oder Schwämme erinnert besonders interessant. Aber da die Schwammnadeln unter dem Bino so gar nicht nach Schwammnadeln aussahen und ich auch keinen Schwamm aus dem Muschelkalk im Internet finden konnte, da war schon klar, das es sich vermutlich um was mineralisches handelt. Es gibt im Umfeld des Fundes durchaus Sinter in Hohlräumen, aber immer glatt. Diese Ausprägung kannte ich noch nicht.

Ich verschiebe den Beitrag in ein paar Tagen in Pseudofossilien.

Thomas
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Re: Was ist das? Fossil, mineralisch oder beides?

Beitrag von Triassammler » Donnerstag 26. Mai 2016, 21:37

Hallo Thomas,
Thomas_ hat geschrieben:Es gibt im Umfeld des Fundes durchaus Sinter in Hohlräumen, aber immer glatt. Diese Ausprägung kannte ich noch nicht.
Dazu noch eine Anmerkung: Wenn man ein sintertragendes Kluftsystem entdeckt hat, kann es durchaus lohnenswert sein, dort genauer bzw. über eine längere Zeit nachzuschauen (sofern man auf Mineralien steht): Mitunter können sich größere Hohlräume öffnen, in denen schönere Sinterbildungen vorkommen. Gegebenenfalls stößt man zunächst auch nur auf dicken Kluftlehm - da dieser aber erstaunlich wasserundurchlässig ist, können darunter Sinterbildungen gut erhalten sein. Ebenso im Lehm am Grund von Klüften, wo sich herabgefallene Sinterbildungen ansammeln können. Mit viel mehr Glück findet man in solchen Klüften auch andere Mineralien wie skalenoedrischen Calcit, klaren Gips oder sogar Quarz.
Anbei Beispiele aus dem mo, sämtlich aus Steinbrüchen, wo sie dem Abbau zum Opfer fallen.

Gruß,
Rainer
Dateianhänge
Kluft1.jpg
Kluft1.jpg (576.82 KiB) 30832 mal betrachtet
Kluft2.jpg
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Kluft3.jpg
Kluft3.jpg (463.14 KiB) 30832 mal betrachtet
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Re: Was ist das? Fossil, mineralisch oder beides?

Beitrag von lupus » Samstag 4. Juni 2016, 11:23

Hallo triassammler.

Im letzten Bild unten in der Mitte, der größere Calcitkristall, scheint ein Zwilling zu sein. Ich hoffe, Du konntest ein paar schöne Stufen bergen.

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Re: Was ist das? Fossil, mineralisch oder beides?

Beitrag von Triassammler » Samstag 4. Juni 2016, 21:54

Hallo,
lupus hat geschrieben:Im letzten Bild unten in der Mitte, der größere Calcitkristall, scheint ein Zwilling zu sein. Ich hoffe, Du konntest ein paar schöne Stufen bergen.
Ja, es kamen einige gute Stufen dabei herum, auch mit großen Zwillingen, sowie einige Schwimmer-Doppelender im Kluftlehm. Allerdings gab es auch viel Bruch, weil viele Kristalle Risse hatten oder nur noch locker auf der Matrix saßen bzw. die Matrix kleinstückig in sich zerbrochen war. Die Kluft war über viele Jahre hoch oben in der Wand offen und Frost und Wetter ausgesetzt, abschließend war sie nur kurzfristig im Rahmen der Verfüllung des entsprechenden Steinbruchabschnitts ebenerdig erreichbar.
Auch war die Trennung zwischen Calcitlage und Matrix nicht immer so gut, wie es die im Bild zu sehende Fuge Glauben macht. Der gezeigte Kluftabschnitt konnte nach dem Aufnehmen des Fotos großflächig als sehr hübsche Stufe von einem Sammlerfreund geborgen werden.

Gruß,
Rainer
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